Gastvortrag Vorurteile und Stereotype

Mit Prof. Dr. Martina Thiele von der Universität Salzburg beleuchtete auf Einladung des Seminars für Deutsche Philologie eine echte Expertin für Stereotypen und Vorurteilen das Thema aus medienwissenschaftlicher Sicht. Sie ist in Göttingen geboren, hat hier studiert und promoviert. Die Stadt und Uni habe sich unglaublich zum Positiven verändert, sagte sie zu Beginn.


Die Stereotypenforschung sieht sie als transdisziplinäres Feld. Die beteiligten Disziplinen reichten von der Psychologie über die interkulturelle Didaktik bis zur Gerontologie, es seien eine Menge.


Der Ausdruck Stereotyp kommt aus der Druckersprache, damit ist der sich wiederholende Druck mit beweglichen Lettern gemeint. Der amerikanische Schriftsteller Lippmann deutete sie dann als Bilder in unserem Kopf. Unsere Wahrnehmung ist damit vorgeprägt, wir denken erst, dann sehen wir.


Thiele Vortrag 2016


Was unser tägliches Leben bestimme, seien Metastereotype: Vermutungen, der andere könnte uns so und so sehen. Stereotypisierung versteht Thiele als Kategorisierung + Attributierung. Kategorien hält sie dabei für soziale Konstruktionen.


Zum Begriff Vorurteil komme Gefühlsgeladenheit hinzu. Ganz verschärft seien Stereotype in Feindbildern. "Wir greifen auf Stereotype zurück, um uns schneller orientieren zu können", so Thiele. Das diene der Identitätsbildung und -stabilisierung und steigere das Selbstwertgefühl. Dieses Weltbild gebe Sicherheit.


Können sich Stereotypen wandeln?


Ja, durch Substereotype, wenn ein vermutetes Stereotyp auf jemanden nicht zutrifft. Auch durch dramatische Ereignisse oder eine sich allmählich verändernde Sicht könnten sich Stereotype wandeln. Dabei helfe Empathie.


Stereotype nicht gleich Stereotyp


Da sei das geschlechtliche und berufliche Stereotyp ("die Karrierefrau"), das supranationale ("der Westen") oder das ethnische ("die Roma"). Man solle klarmachen, dass die Welt komplex und widersprüchlich sei, deshalb will Thiele weg von Denkfaulheit und der Vorstellung, dass Stereotype Komplexität reduzieren. Es gebe schließlich Übergänge zwischen "den Männern" und "den Frauen", "den Chinesen" und "den Deutschen".


Ein Streitpunkt, der sich nicht beantworten ließ: Steckt in Stereotypen immer ein Körnchen Wahrheit? Wenn ja, was ist dieses Körnchen? Thiele will forschen, ob sich Stereotype mit Humor und Ironie auflösen lassen, aber sicher ganz anders als Böhmermann. Mit transdisziplinärer Anstrengung sei noch viel möglich.